Crisis Talk am 14. Dezember 2023

Dieser Bericht erschien zuerst auf der Website des Forschungszentrums „Transformations of Political Violence“ (TraCe) und wurde für diese Website minimal angepasst.

Die Veranstaltung in der Hessischen Landes­vertretung in Brüssel war eine besondere Ausgabe: Zu Gast bei den Crisis Talks war das Forschungszentrum „Transformations of Political Violence“ (TraCe), ein interdisziplinärer Forschungs­verbund von fünf hessischen Forschungs­institutionen: dem Peace Research Institute Frankfurt (PRIF), der Goethe-Universität Frankfurt, der Justus-Liebig-Universität Gießen, der Philipps-Universität Marburg und der Technischen Universität Darmstadt.

Das Thema der Podiums­diskussion lautete „Aufarbeitung kolonialer Gewalt – Möglichkeiten post­kolonialer Erinnerungspolitik“. Uwe Becker, Staatssekretär für Europaangelegenheiten der Hessischen Landes­regierung, stimmte mit einem kurzen Video­grußwort auf die Diskussion ein. Er betonte die Wichtigkeit, die viel­schichtigen und komplexen Fragen einer post­kolonialen Erinnerungskultur insbesondere auch auf europäischer Ebene zu dis­kutieren.

In ihrer Keynote unterstrich Sabine Mannitz,  die Unabgeschlossenheit der Kolonial­geschichte, das Nach­wirken kolonialer Verhältnisse in globalen Macht­konstellationen und Formen der Wissensproduktion. Sie forderte die Auf­arbeitung des Kolonialismus nicht bloß national an­zugehen, sondern diese auch als gemeinsames europäisches Pro­jekt zu verstehen. So seien Forschung und Akteure der Zivil­gesellschaft zum Teil bereits europaweit vernetzt – eine ge­meinsame europäische Politik zu dem Thema sei aber noch nicht aus­zumachen. Insbesondere von Brüssel könnten wichtige Impulse aus­gehen, um die kolonialen Ver­flechtungen zu adressieren, die bis heute strukturelle Un­gleichgewichte erzeugten. Postkoloniale Perspektiven, zum Beispiel in Schul­büchern und Museen, seien geeignet, im Zusammen­hang zu vermitteln, wie die westliche Moderne und ihr ökonomischer Aufstieg auf den kolonialen Er­oberungen basierte. Dies sichtbar zu machen, könne zu einer Erinnerungs­kultur beitragen, in der Gewaltverhältnisse und ihre Bedingungen weniger beschwiegen als ver­standen würden

Auf dem anschließenden Podium, mo­deriert vom Journalisten Alexander Göbel, wurde der wissen­schaftliche Input von Sabine Mannitz durch Positionen von Laura Gaëlle Ganza ergänzt. Diese brachte als un­abhängige Beraterin insbesondere Pers­pektiven aus dem Kulturbereich ein: Notwendig für eine Auf­arbeitung der europäischen Kolonialzeit sei in erster Linie eine klare Haltung dazu; diese gebe es bis dato – auch in vielen Museen – noch nicht. Ko­loniales Erbe sei tief in unserem Leben ver­ankert und oft un­sichtbar. Es müsse daher zunächst auf­gedeckt werden, um es ab­bauen zu können. Mannitz betonte in ihren Bei­trägen unter anderem die Wichtigkeit der Zusammenarbeit auf Augenhöhe, wenn es um die Auf­arbeitung kolonialer Gewalt geht. Auf­grund von strukturellen Hindernissen (wie zum Beispiel restriktiven Visa-Bestimmungen) sei genau das mit Ländern des globalen Südens aber häufig er­schwert.

Ab­gerundet wurde die Podiums­diskussion durch zahlreiche und anregende Publikumsfragen, die die Re­levanz des Themas untermauerten. Die Veranstaltung brachte knapp hundert Personen aus ver­schiedensten (politischen) In­stitutionen in Brüssel zusammen.

Uwe Becker, Staatssekretär für Europaangelegenheiten der Hessischen Landes­regierung, in einem kurzen Video­grußwort.
Impulsvortrag von Dr. Sabine Mannitz
Begrüßung von Alexander Goebel
Dr. Sabine Mannitz und Salima Yenbou im Gespräch
Das Panel des 26. Crisis Talks
Blick auf die Bühne mit dem Panel des 26. Crisis Talks
Salima Yenbou spricht auf dem Panel.
Gäste im Gespräch beim 26. Crisis Talk.
Gäste im Gespräch beim 26. Crisis Talk.
Programm
Begrüßung

Lucia Puttrich
Hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten

Dr. Stefan Kroll
PRIF – Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung

Impuls

Dr. Sabine Mannitz
Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung/
Forschungszentrum „Transformations of Political Violence“ (TraCe)

Podiumsdiskussion

Dr. Sabine Mannitz

Salima Yenbou
Mitglied des Europäischen Parlaments

Laura Gaëlle Ganza
Soziokulturelle Arbeiterin & Unabhängige Beraterin

Moderation

Alexander Goebel
Freier Journalist

Die "Crisis Talks" gehen systematisch und entlang konkreter Herausforderungen der Frage nach, wie Europa mit seinen aktuellen und vergangenen Krisen umgeht, was die Chancen der Krisen sind, und was man aus der Bewältigung vergangener Krisen lernen kann. Die Vortragsreihe "Crisis Talks" wird gemeinsam vom Leibniz-Forschungsnetzwerk "Umweltkrisen – Krisenumwelten", der Hessischen Landesvertretung bei der EU und dem Forschungszentrum "Normative Ordnungen" der Goethe Universität Frankfurt am Main organisiert.